Donnerstag, 2. Januar 2014

Kapitel 5 (3)

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Che Guevara, kubanischer RebellenführerGottlob scheitert der Marxismus-Leninismus – wie jeder Versuch zur Weltherrschaft. Statt Weltrevolution gab und gibt es Richtungskämpfe, die kommunistische und sozialdemokratische Strömungen trennt. Überlebt haben die Pragmatiker, die in einem „gezähmten“ Kapitalismus hauptsächlich als an-gestellte Interessenvertreter der Angestellten auftreten, sei es in Gewerkschaften oder in den „linken“ Parteien. Sie haben sich allesamt von den Denkkategorien des 19. Jahrhunderts kaum entfernt.
Machen Sie folgendes Experiment: fragen Sie Menschen in ihrem Bekanntenkreis, was ihnen an dem folgenden Satz unstimmig erscheint: „Der Staat versucht mit Gewalt, die Bevölkerung glücklich zu machen“.
Sie werden zu hören bekommen, dass mit Gewalt wohl kaum jemand glücklich zu machen sei. Das ist Quatsch, denn es gibt nachweislich viele Menschen, die ihr Lebensglück in sklavischen und masochistischen Verhältnissen finden. Der Satz beinhaltet allein deshalb einen verhängnisvollen Fehler, weil sein Grundverständnis von Staat mörderisch ist. Der Staat hat mit dem Glück seiner Bewohner nichts zu schaffen. Der Staat kann bestenfalls für flexible Ordnungsrahmen der Lebensverhältnisse und dafür sorgen, dass sie eingehalten werden, d.h. er ist für das Recht, für öffentliche Verwaltung und Finanzen sowie für wirtschaftliche Rahmenbedingungen zuständig, die möglichst niemanden benachteiligen sollen. Nur totalitäre Systeme verteilen Schablonen für das Glück. Das ist an ihrer Kultur – vor allem an Bildern und Symbolen, an Literatur und darstellender Kunst - aber auch an Festen und Alltagsgebräuchen erkennbar. Der demokratische Staat muss – wenn er nicht hinter den preußischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm und das 17. Jahrhundert zurückfallen will – „jedermann nach seiner Façon glücklich werden“ lassen.
Die sozialdemokratischen und Gewerkschaftsbewegungen, die aus den Theorien von Marx ihre ideologische Durchschlagskraft bezogen und als Interessenvertreter der abhängig Beschäftigten die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse im 20. Jahrhundert so verändert haben, dass wir wohl ohne Übertreibung vom Jahrhundert der An-Gestellten sprechen dürfen, diese mächtigen Subjekte der Geschichte können sich von einem zentralen Terminus nicht befreien: der „sozialen Gerechtigkeit“.
Natürlich muten nicht einmal die Kommunisten jemandem zu, darunter eine quantitative Gleichverteilung materieller Güter zu verstehen, obwohl sie gern den Neid für die „gerechte Empörung“ ihrer Anhänger mobilisieren.
Stoertebeker2„Gleichverteiler“ wie der Seeräuber Störtebeker sind ihnen sympathische, aber nicht vom Marxismus- Leninismus dialektisch erleuchtete „Frührevolutionäre“ oder „Anarchisten“. Trotzdem wiegte sich selbst ein heller Kopf wie der Dichter Bertolt Brecht in der Illusion, man müsse einen Sockel materieller Mindestversorgung für alle haben, damit sich der Wettbewerb und die Vielfalt der Individuen recht entfalten könne, und also habe nichts zu geschehen, als die „Expropriation der Expropriateure“ – die Enteignung des Privatbesitzes an Produktionsmitteln - dann werden diese Mittel in der Hand des sozialistischen Staates jedermann zum Segen gereichen und jeder werde nach bestem Vermögen dem Gemeinwesen zuarbeiten.
Der Denkfehler liegt genau darin, dass diejenigen, denen unsere sozialistischen Heilsbringer Gerechtigkeit schaffen wollen, am wenigsten davon halten. Wie hoch soll denn der Sockel der Mindestversorgung auch für Nicht-An-Gestellte sein? Reichen das freistehende Einfamilienhaus und das Auto nach Wunsch für alle Familienmitglieder? Interessieren sich die Leute, deren tarifliche Privilegien in regelmäßigen Abständen zum Medienereignis der Nation gemacht werden, für soziale Fragen über ihre Weihnachts-, Urlaubs-, Treue- und sonstigen Gratifikationen hinaus? Also etwa für die existentiellen Probleme der Nicht- An- Gestellten oder die Arbeitsverhältnisse in China?
Nicht die Bohne. Das beweisen sie massenhaft durch ihr Einkaufsverhalten, bei dem Geiz geil und nur wer bei globalen Megakonzernen einkauft, nicht blöd ist. Damit verhilft er jenen zur unumschränkten Macht zwischen Bratislava und Shenzhen. Alsbald greinen die öffentlichen Schallverstärker des Sozialismus über das Menschen verachtende Kapital, das seine Arbeitsplätze dorthin schafft, wo sie – na? – billig sind. Geiz ist geil und wer ein Unternehmen erfolgreich im globalen Markt führen will, sollte nicht allzu blöd sein.
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